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Streifzüge

Richard Wagner

(Deutschland 1913)

Zum 100. Geburtstag von Richard Wagner 1913 brauchte es unbedingt einen Film, fand der deutsche Filmpionier Oskar Messter[1]. Und so bestimmte er und seine seine von ihm gegründete Filmgesellschaft, die 1918 in der UFA aufgehen sollte, bestimmte deswegen Carl Froehlich als Regisseur und die Hauptrolle des Richard Wagner besetze man mit dem italienischem Komponisten Guiseppe Becce, der über den Librettisten einer seiner Operetten mit der Filmgesellschaft in Kontakt stand. Dass er Richard Wagner ähnlich sah, war gut für den Film, aber für die Filmgesellschaft war es noch günstiger, dass er auch die Musik für diesen Stummfilm schreiben konnte, und zwar so dass die nötige musikalische Nähe zu den Werken des Meisters deutlich erkennbar war, aber eben keine Verlagsrechte für die Musik Richard Wagners gezahlt werden musste. Und Becce war ein guter Komponist und Orchesterleiter[2], er sollte noch bis in die 1950er Filmmusiken schreiben, zu seinen bekanntesten Werken gehören die Musiken zu den Filmen von Luis Trenker (z.B. Der Rebell) und Leni Riefenstahl (z.B. Das Blaue Licht), aber auch Das Cabinett des Doktor Calligari und Ekstase. Filmisch war diese Hagiographie Richard Wagners auf der Höhe der Zeit, die Handlung ist eine verehrende Biographie, die in einzelnen Vignetten illustriert wird, im Gegensatz zum Kunstfilm wie Die Ermordung des Herzog von Guise wird auch schon in den einzelnen Vignetten rudimentär montiert, das Auge des Zuschauers auf das momentan Wichtige gelenkt und die Einstellungsart schwankt bisweilen zwischen Halbtotal und Nah – und die Filmmusik, sofern man den geschriebenen Noten folgt (was bei kleine Kinos mit rein improvisierenden Musikern nicht unbedingt zu erwarten ist) folgt derartigen Details. Aber zu einer Montage eines D.W. Griffith wie in Geburt einer Nation ist es noch weit, aber auch mit dem Rückgriff auf alte Melies'sche Tricks können Froehlich und sein Co-Regisseur und Kameramann William Wauer die mystischen Geister der in Wagner kumulierenden Romantik interessant auf die Leinwand bringen. Wie es sich für eine Hagiographie gehört, werden nur die positiven Seiten seines komplexen Charakters hervorgehoben, einer der musikalischen Lehrmeister ist Kantor, erkennbar an seiner Kippa, Meyerbeer wird, wie es der heutigen Forschung entspricht als Förderer dargestellt und Wagners antisemitisches Pamphlet Über das Judentum in der Musik wird ignoriert. Die Schurken sind, der Kulturkampf lag ja erst ein paar Jahre zurück, nur die alten vormärzlichen Eliten und für sein Scheitern in Paris wird der "welsche" Erbfeind[3] verantwortlich gemacht und wenn man ehrlich ist, hatten die Münchner Bürger mit ihren Vorwürfen recht, was aber nichts an der musikalischen Genialität Wagners ändert. Für den galt immer, die Kunst geht vor, und um die zu verwirklichen brauchte er das Geld anderer Leute.


[1] Und Erfinder des Malteserkreuzes im Filmprojektor, genauso wie der Zielkamera im Jagdflugzeug, nur um ein paar seiner Erfindungen zu nennen. Er experimentierte auch mit dem Tonfilm und hatte die Idee, man könne via Film beliebige Orchester von großen Dirigenten Werke in deren Interpretation spielen lassen.

[2] Die Konzertmeisterin eines seiner Orchester zu Beginn der 1920er war eine Offizierstochter namens Marlene Dietrich. Was dem berühmten Screentest für Der Blaue Engel eine völlig neue Note gibt.

[3] siehe auch die Besprechung zu Weiße Margariten.


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