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  • Streifzüge

Alexander Newski

(UdSSR 1938)

Wenn man von diesem Filmklassiker spricht, muß man nicht nur von der Macht der Bilder sprechen, die Eduard Tisse nach Sergei Eisensteins Vorstellungen auf Zelluloid gebannt hat, sondern auch von dem Ton, der der gerade erst aus seinem freiwilligen Exil in die ihm so wichtige russische Heimat zurückgekehrte Sergei Prokofjew geschaffen hat. Heimat war allen beteiligten wichtig, und darum geht es auch in diesem Film, doch 1938 hieß „Heimat“ für alle Russen auch leben mit und unter einem paranoiden, von der Richtigkeit seiner Sache überzeugten, Diktator Joseph Stalin, der sein Land regelmäßig von etwaigen Kritikern säubern ließ. Dass nur wenige hundert Kilometer von der Westgrenze entfernt ein andere Diktator saß, der von weiterem Lebensraum träumte und der nach Westen nur Länder hatte, die eigentlich keinen Krieg wollten und ihn und seine Ideologie der kommunistischen Weltrevolution genau so ablehnten wie den nach Lebensraum dürstenden böhmischen Gefreiten, machte die Sache nicht einfacher. Für Stalin musste da ein Film her, der das eigene Staatsvolk für einen etwaigen Krieg mit Deutschland mobilisierte und Eisenstein, wenn er sich nicht gerade in irgendwelche künstlerischen Experimente verirrte, war genau der richtige Mann dafür und als Stoff, da gab es doch diesen mittelalterlichen Fürsten, der 1242 ein Ritterheer des Deutschen Ordens auf dem Peipussee vernichtend geschlagen hat, als die Mongolen im Osten einmal ruhig waren. Nikolai Tscherkassow spielte die Rolle dieses Fürsten[1] den man durchaus auch als Zeichen für Stalin lesen kann. Neun Monate nach der festlichen Galapremiere in Moskau wurde der Hitler-Stalin Pakt unterzeichnet, worauf der Film sofort aus dem Verleih gezogen wurde, nur um ihn nur Stunden nach dem Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion durch die deutsche Wehrmacht wieder als geistige Mobilisierung zu verwenden. Im Winter 1944/45 wurde dann die Stadt des Deutschen Ordens Königsberg erobert und als Kaliningrad sowjetisches Sperrgebiet[2].


Prokofjew schrieb seine Filmmusik zeitgleich mit dem Drehen des Filmes, für manche Szenen stand die Musik bereits, bevor die Szenen gedreht wurden, für andere wurde die Musik geschrieben, nachdem Eisenstein ihm den Rohschnitt gezeigt hatte. Aufgrund des großen Erfolges adaptierte er die Filmmusik auch für den Konzertsaal als sein Opus 78. Für Prokofjew erwies sich die Rückkehr nach Russland persönlich als ein Fehler, die ihm damals im Westen zugesicherten Reisen konnte er nicht mehr antreten, da sprachen die politischen Realitäten dagegen. An der realsozialistischen Realität verzweifelnd starb er am gleichen Tag wie Stalin. Eisenstein drehte noch einen erfolgreichen Film für Stalin, der nächste landete in Stalins Giftschrank, dem erging es allerdings besser als seinem Film Die Beshin-Wiese, an dem er vor Alexander Newski gearbeitet hatte, der wurde auf Druck Stalins abgebrochen und das gedrehte Filmmaterial zum größten Teil vernichtet.

Aufgrund seiner Entstehungsgeschichte war es in der alten BRD lange Zeit nicht möglich, den Film so zu sehen, wie es sich Eisenstein 1938 gedacht hat, da die damalige Tontechnik nicht die Qualität hatte, wie sie in den 1980ern erwünscht war, wurde bei einer sowjetischen Rekonstruktion der Soundtrack 1986 neu eingespielt.

[1] Im Text wird die deutsche populäre Transkription verwendet, bei den Tags die englische der IMDB. Mein Russisch ist ausreichend, die Namen zu lesen, aber zu schreiben würde die Software und den Leser überfordern.

[2] Der Deutsche Orden floh, nachdem sich während der Reformation der Hochmeister zum Protestantismus bekehrte und die Ordensländer im damaligen Preußen säkularisierte ins stockkatholische Süddeutschland und das deutsche Priorat sitzt in Weyarn.


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