(Deutschland 1923)
Eigentlich jeder hat schon einmal vom ersten Tonfilm gehört, dem Jazz Singer [1], einem Stück über den Sohn eines orthodoxen jüdischen Kantors, der mit seinen Traditionen bricht. Dieses Stück war von einer Person aus dem amerikanischem Showgeschäft inspiriert, traf aber offensichtlich einen im Ostjudentum verbreiteten Nerv, denn als der Autor Samson Raphaelson seine dem Jazz Singer zugrundeliegende Kurzgeschichte veröffentlichte, drehte E.A. Dupont diesen Film, den man mit Recht auch als „den Shakespearespieler“ hätte nennen können. In diesem Film geht es um den Sohn eines galizischen Rabbis, der aus seiner beschränkten Welt ausbrechen will und sich trotz eines väterlichen Verbotes einer Wanderbühne anschließt. Er hat großes Talent, assimiliert sich äußerlich und erhält Protektion aus höchsten Kreisen. Als er den Don Carlos am Burgtheater in Wien spielt, und sein Vater im Publikum sitzt, ein Freund hat ihn in die Hauptstadt mitgenommen, vergibt der seinem Sohn. Ars vincit omnia.
Der Film ist vor allem aufgrund des ständigen Kulturclashes zwischen dem orthodoxen Schtetl und der aufgeklärten bürgerlichen Welt des österreichischen Kaiserreichs interessant. Damals im Entstehungsjahr 1923 war man noch optimistisch, trotz des wachsenden Antisemitismus während der wirtschaftlich schweren Zeiten, der bei der nächsten großen Wirtschaftskrise zur Katastrophe führen sollte.
In Erinnerung blieb mir vor allem das Erstaunen beim Aufschlagen eines Buches, das man andersrum zu lesen hatte, und das Abscheiden der Schläfenlocken des Hauptdarstellers, sowie der Kontrast, den Vater und Freund in Kleidung aus dem Schtetl zum restlichen Publikum im Burgtheater darstellten.
Der Drehbuchautor, der die Vorlage des in den 1830ern unter polizeilicher Beobachtung wegen burschenschaftlicher Umtriebe stehenden Literaten[2] für die Leinwand bearbeitet hatte, starb im Juni 1944 im KZ.
[1] der eigentlich gar nicht der erste war und eigentlich nur die Lifemusik in den Kinos einsparen sollte, aber das würde hier zu weit führen.
[2] Richard Wagner ging dessen Schicksal ziemlich nahe. [3]
[3] Wenn wir schon bei solchen absonderlichen Fußnoten sind, kann man auch darauf verweisen, dass die weibliche Hauptdarstellerin Henny Porten mit einem Juden verheiratet war und sich trotz des Drängens der NSDAP sich nicht von ihm scheiden ließ. Als Hitlers Lieblingsschauspielerin konnte sie sich das erlauben.
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