top of page
Streifzüge

Der Führer schenkt den Juden eine Stadt

Aktualisiert: 16. Dez. 2020

(Deutschland 1944)

Bei manchen Filmen fragt man sich, warum sie überhaupt produziert worden sind. Wer hätte sie überhaupt sehen sollen ? Gerade wenn es um das politischen Kernstück des praktischen realen Nationalsozialismuses geht, stellt sich immer die große Frage des Warums. Die SS selbst hatte ob ihrer Taten ein schlechtes Gewissen, die Partei ließ den Eindruck finster Geschehnisse im Hintergrund als explizites Mittel der Herrschaft bestehen. „Fragt besser nicht, sonst geht es Euch genauso.“ „Ihr hängt da genauso drinnen wie wir, Verlieren ist jetzt keine Option mehr.“ „Endsieg oder Untergang“ so oder ähnlich lauteten die Parolen, aber schriftlich festgehalten wurden diese nicht. Um die Politik der Endlösung auch nach innen zu legitimieren, arbeitete das Propagandaministerium kräftig, aber seit dem endgültigem Feststecken der Ostfront im Winter 1942/43 und dem langsamen Zurückweichen der Front Richtung Altreich war es schwierig die Illusion aufrecht zu erhalten, die Juden wären in ein eigenes Protektorat abgeschoben worden. Es schien eine bessere Strategie zu sein, einfach nicht darüber zu reden, schließlich krähte ja auch kein Hahn mehr nach den Armeniern. Es gab aber ein Problem, ein paar wenigen Insassen aus einem der Vernichtungslagern war die Flucht geglückt und sie konnten ihre Geschichte erzählen. Doch wie es mit so unglaublichen Vorwürfen nun mal ist, niemand wollte ihnen glauben. Da es während eines totalen Krieges natürlich keine freie Bewegung in den beteiligten Ländern gab, konnte man derartige Gerüchte kaum überprüfen. Aber da auch im neutralen benachbarten Ausland, mit dem man immer noch sicheren Handel treiben konnte, derartige Gerüchte umgingen, musste man diese mit einer kleinen Ablenkung bekämpfen. In Theresienstadt, einer alten kuk Festungsstadt, existierte ein Sonderlager für spezielle KZ-Insassen, die international vernetzt waren. Dieses bereitete man im Frühsommer 1944 auf eine Inspektion durch eine Delegation des Internationalen Roten Kreuzes vor, die dieses potemkinsche Dorf der SS tatsächlich inspizieren durfte, und wohl nicht weiter realisieren wollte, dass man sie an der Nase herumgeführt hatte. In Folge dieser Aktion kam irgendwer auf die brillante Idee, man könne auch einen Dokumentarfilm über dieses Lager drehen, man habe ja sogar einen brillanten Kopf darin sitzen, dem man mit dieser Aufgabe betrauen könnte, der würde dann sogar noch ein deutliches Lebenszeichen setzen. Kurt Gerron[1] konnte dieses Angebot nicht ablehnen, hätte er es, hätte er sich sofort auf dem Weg ins nächste Vernichtungslager gefunden, so aber hatte er die Hoffnung, für sich und die anderen Beteiligten noch ein wenig Zeit in diesem Lager verbringen und vielleicht das Kriegsende noch erleben zu können. Es war ein Pakt mit dem Teufel, viel zu sagen hatte er in der Produktion nicht, die SS sah ihm bei jeder Einstellung über die Schulter, nach dem was heute bekannt ist, lag der Schnitt in den Händen des Propagandaministeriums, und alle Beteiligten aus dem Lager fanden sich nach Abschluss der Dreharbeiten im Herbst 1944 auf dem Weg nach Auschwitz zwecks Entsorgung/Ermordung.

Der Film wurde nur viermal gezeigt, zweimal für Parteifunktionäre, die aber im April 1945 eigentlich schon andere Dinge im Kopf hatten, und zweimal für NGO Funktionäre, die man noch positiv beeinflussen wollte, was aber zu diesem Zeitpunkt (der Krieg war nicht einmal vier Wochen später vorbei) so illusorisch war wie der Endsieg. Es gibt keine komplette Kopie des Filmes, nur die Drehberichte und ein paar Fragmente haben sich erhalten, aus denen eine Rekonstruktion erstellt werden konnte.

[1]Kurt Gerron war ein Berliner Komiker, am Bekanntsten ist er als Rechtsanwalt der Drei von der Tankstelle aus der gleichnamigen Tonfilmoperette von 1930. Er wirkte in vielen UFA Filmen aus der Zeit vor der Machtergreifung mit. Es ist ein bitterer Treppenwitz der Filmgeschichte, dass er vor 1933 seine Assistenten und Mitarbeiter als seine SA zu bezeichnen pflegte.


35 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page