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  • Streifzüge

Der Tanz auf dem Vulkan

Aktualisiert: 4. Aug. 2022

(Deutschland 1938)

Wenn der Morgen endlich graut, hinter dunst'gen Scheiben

Und die Männer ohne Braut beieinander bleiben

Schmieden sie im Flüsterton

aus Gesprächen Bomben

Rebellion! Rebellion!

in den Katakomben


(Die Nacht ist nicht zum Schlafen da.)


Flugblätter gegen den letzten Bourbonen König Karl X. flattern von den Rängen, dem Urheber der Spottverse droht die Guillotine und trotzdem verliert der nicht den Kopf? In einem Film aus dem Dritten Reich, wie ist das möglich? Gustaf Gründgens war Reichsintendant und mit Reichsluftfahrtminister Hermann Göring gut befreundet, da konnte er sich, auch wenn ihn Dr. Goebbels nicht mochte, doch ein paar Sachen herausnehmen. Goebbels erkannte die Subversität dieser Verse in Kombination mit der schmissigen Melodie von Theo Mackeben und sorgte dafür das die Noten und Plattenaufnahmen[1] nicht sonderlich lange verfügbar waren, er ahnte, dass das Lieblingsprojekt des altgedienten Parteigenossen Hans Steinhoff [2] interpretationstechnisch nicht nur gegen Frankreich und die alte Monarchie verstanden werden konnte, sondern auch prinzipiell als Angriff gegen jegliche bestehende Ordnung. Und am 18. Februar 1943 flatterten Flugblätter aus dem zweiten Stock der Ludwigs-Maximilian-Universität und der Polizei gelang, was hier im Film nicht klappte. Die Autoren wurden verhaftet, abgeurteilt und hingerichtet. Doch die Flugblätter schafften es nach England, wurden dort vervielfältigt und statt Bomben über Deutschland [3] abgeworfen. Die Urheber gingen als Weiße Rose in die Geschichte ein, nach ihnen ist das Institut für Politische Wissenschaft an der LMU und der Platz vor dem Haupteingang benannt.

Filmhistorisch interessant ist die Tatsache, dass die reale Figur des Debureau hier von einem der besten deutschen Bühnenschauspieler gespielt wurde und nur ein paar Jahre später in Frankreich von Jean-Luis Barrault in Kinder des Olymp. Der echte Debureau war Pantomime, als er einmal vor Gericht stand, kamen die Pariser ins Gericht um ihn endlich mal sprechen zu hören.

In weiteren Rollen brillieren Sybille Schmitz als Gräfin, die zwischen Karl X. (Ralph Arthur Roberts) und Debureau sowie ihrem Mann (Theo Lingen) steht, Will Dohm spielt den Theaterdirektor, der sich mit seinem genialen Star herumschlagen muss, während dieser auch noch den beim Volk beliebten Herzog von Orleans, den späteren Bürgerkönig Louis-Phillipe (Hans Leibelt) noch dazu bewegen muss, den Willen des Volkes in die revolutionäre Praxis umzusetzen. Gerade das Ende mit dem Marsch zur Guillotine kann man auch als Wunschtraum des Marsches zur Feldherrnhalle lesen, aber wer solchen Träumen nachhängt, dem sei gesagt, dass die 1848er Revolution in Paris auch die Birne[4] mit dem Regenschirm hinwegfegte.

[2] Bekannt vor allem für seine Propagandafilme Hitlerjunge Quex und Der Alte und der Junge König.

[3] Und diesmal rühmte sich niemand, mit Flugblättern einem angegriffenem Lande zur Hilfe gekommen zu sein.

[4] Ja, es gab schon vor Helmut Kohl eine Birne.

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