top of page
Streifzüge

Der Tod in diesem Garten

(Frankreich/Mexiko 1956)

Wir sind alle von Gott verflucht“ ruft der verrückte Alte (Charles Vanel) gegen Ende des Films, als alles eigentlich gewonnen scheint und eröffnet das Feuer auf seine Mitflüchtlinge nach einem grausigen Marsch durch einen höllischen Dschungel. Andre Breton beschrieb einst das Abfeuern eines Revolvers in der Menschenmasse als die grundsätzliche surrealistische Tat und Regisseur Luis Buñuel nahm ihn mit dieser internationalen Koproduktion beim Wort. Auch wenn in diesem Abenteuerfilm nicht der für ihn typische surreale Irrsinn im Vordergrund steht, ist trotz allem seine deutlich antikirchliche - nicht atheistische - Haltung[1] zu erkennen. Eigentlich wollten alle in diesem gottverlassenem Kaff nur ihr persönliches Glück machen, doch die Vertreter des revolutionsgeschüttelten Staates wollen das nicht zulassen. Diamantenminen kann man nicht einfach Privatleuten überlassen, etwaige Proteste ob entschädigungsloser Enteignung kann man immer noch vom Militär zusammenschießen lassen und so findet sich der alte Diamantenschürfer Castin (Charles Vanel), sein widerspenstiges Objekt der Begierde, die Prostituierte Djin (Simone Signoret), seine taubstumme Tochter Maria (Michéle Giradon), der junge Missionspfarrer Lizardi (Michel Piccoli) und der Abenteurer Chark (Georges Marchal) plötzlich als steckbrieflich gesuchte Revolutionäre ohne Proviant auf der Flucht im Dschungel. Als allen klar ist, dass man sich hoffnungslos verlaufen hat, findet man dann doch zufällig (oder war es doch Hilfe von von oben) eine Rettungsmöglichkeit, ein abgestürztes Passagierflugzeug. Doch Buñuel wäre nicht Buñuel wenn sich nicht jede gute Tat irgendwie rächen würde – von den fünf Flüchtlingen schaffen es nur zwei eine Fluchtmöglichkeit über ein Gewässer ins Nachbarland zu nutzten, die anderen drei haben sich gegenseitig erschossen. Politisch ist der Film relativ eindeutig als Parabel auf das Spanien Generalissimus Francos zu lesen, ein brutales Militär und eine katholische Kirche, die mehr Böses vollbringt, obwohl sie eigentlich Gutes zu tun versucht, egal ob es jetzt das Missionieren von Eingeborenen ist, alphabetisiert sind die als Arbeitskräfte besser verwendbar, Mitleid richtet sich immer gegen die, die es gewähren sollen[2] und auf das Verbot von Leichenfledderei sollte man erst hinweisen, wenn man sich in den sicheren Armen der Zivilisation befindet, andernfalls kann dies für einen selbst lebensgefährlich werden.

Der Produzent Oscar Danciger wollte mit dieser A-Produktion in EastmanColor an den Erfolg von Lohn der Angst anschließen, Charles Vanel wiederholte hier seine Rolle aus diesem Klassiker, Georges Marchal konnte zu diesem Zeitpunkt auch schon auf eine über zehnjährige Karriere im französischen Film zurück blicken, Simone Signoret wollte ursprünglich gar nicht in diesem Film mitwirken, da sie durch die Dreharbeiten in Mexiko zulange von ihrem Mann getrennt gewesen wäre, aber die kommunistische Propaganda in ihren Papieren wurden von der US-Immigration übersehen, vielleicht hatte ihr Goldhelm, an den ihre Rolle ein wenig erinnert, doch zu viel Eindruck gemacht. Für Michel Piccoli war es die erste Zusammenarbeit mit Buñuel, Michéle Giradon war ein Photomodel, das in diese, Film ihr Spielfimdebut gab, 20 Jahre später war sie bereits tot.

Der Schnitt oblag der ehemaligen Lebensgefährtin von Jean Renoir Marguerite Renoir[3], Jorge Stahl, jr. sorgte für die Kamera und Raymond Queneau nahm sich der Dialoge an. In Deutschland lief der Film auch unter dem Titel Der Pesthauch des Dschungels, angeblich sei eine der deutschen Kopien um gute 3 Minuten gekürzt, allerdings die letzte Ausstrahlung auf Arte im September 2021 schien mit der 97 Minuten Fassung[4] der internationalen DVD identisch. Die Szenen, die als beschnitten beschrieben wurden (Die Schlange), waren in beiden identisch.

[1] Das örtliche Militär führt einen Verhafteten während der Messe durch die Kirche zum Verhör. Weil der als Nichtkatholik sich während der Wandlung nicht niederkniet, knüppelt man ihn nieder. Die jesuitische Erziehung Buñuels ist in seinem Gesamtwerk deutlichst erkennbar.

[2] Der Antiheld Chark kann nur deswegen aus dem Gefängnis entkommen, weil der Pfarrer sich für ihn verbürgt, dass er einen Abschiedsbrief an seine Mutter schreiben will, der Führer, der sie durch den Dschungel führen soll, entkommt nur deswegen mit dem Proviant, weil der Pfarrer es auf seine Kappe nimmt, dass man dessen Hände vorne und nicht am Rücken zusammenbindet.

[3] Der Name war für sie ein Markenzeichen, die Beziehung zwischen den beiden – sie waren nie verheiratet – als er 1940 vor den Deutschen floh. Sie blieb in Frankreich und arbeitete mit Jacques Becker und Jean Gremillion

[4] Man darf nie vergessen, dass PAL mit 25 Bildern pro Sekunde arbeitet, NTSC und 35mm mit 24. Deswegen ist ein Vergleich zwischen Fassungen mit Kopienlänge in Meternfilmmaterial vorzuziehen.

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page