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  • Streifzüge

Die Ermordung des Herzogs von Guise

(Frankreich 1908)

Dieser Film ist historisch. Zum einen war er ein Irrweg, der dann doch zum Ziele, dem Kunstfilm führte, zum anderen ist dies der Film, für den nachweislich die erste dedizierte Filmmusik geschrieben wurde. Bis dahin wurden Filme dem Publikum erklärt, und wenn sie ohne Erklärung auskamen, improvisierten Musiker zu den Bildern. Die Mühe, sich eine spezielle Musik für den Film auszudenken machte sich eigentlich niemand. Filme waren eine proletarische Veranstaltung, die an Orten gezeigt wurden, wo sich damals der brave Bürger besser nicht blicken ließ. Von diesem kulturellen Hochmut fühlten sich aber auch die Filmschaffenden beleidigt und so versuchte man auch die Mittelklasse, die sich immer nach unten hin abgrenzte, für diese neue Kunstform zu gewinnen. Entsprechend verpflichtete man für diese kleine Geschichtsstunde[1] über einen politischen Mord aus dem späten 16. Jahrhundert nicht nur erfahrene Theaterschauspieler wie Albert Lambert und Berte Bovy von der Comédie Française[2], sondern ließ sich auch die Musik von einem der größten französischen Komponisten des langen 19. Jahrhunderts, Camille Saint-Saens schreiben. Der war in seiner Jugend ein romantischer Neuerer, aber im Laufe seines langen Lebens, er starb vor 100 Jahren im Alter von 86 Jahren, doch vom sich wandelnden Stil überholt[3]. Filmisch ist der Film immer noch sehr statisch in seiner Inszenierung, das Set, auf dem die Handlung stattfindet könnte auch eine Theaterbühne sein, die Schauspieler haben ihre Auftritte aus den immerhin nicht gemalten Kulissen, die Kamera ist starr und unbeweglich, eine Montage, bei der sich zwischen den einzelnen Einstellungen ein Dialog entwickelt, findet nicht statt. Auch hier entwickelte sich die Filmkunst weiter und diese Filmgesellschaft stellte nach ein paar Jahren den Betrieb ein. Die zeitgenössische Kritik kannte den Wert des Filmes und die Intention dahinter durchaus an, vermisste aber zurecht die Sprache, die durch das hochdramatische Gestikulieren eben nicht ersetzt werden konnte.

[1] Den Stoff kannte in Frankreich damals jedes Kind, dieser Film war bereits die dritte Verfilmung über das preemptive Niederschlagen einer Revolte durch den König Heinrich III., dem der Herzog von Guise so eine Tat nicht zugetraut hatte. Auch so konnte er die vom Pariser Volk gewünschte Einführung der Inquisition verhindern.

[2] Einer der weiteren Schauspieler, Albert Dieudonne, sollte dann knappe 20 Jahre später für Abel Gance als Napoleon vor der Kamera stehen.

[3] Auch wenn Saint Saens heute hauptsächlich durch seinen musikalischen Scherz, den Karneval der Tiere berühmt ist, sind seine symphonischen Werke Meisterwerke, auch wenn sie in Frankreich langezeit als zu deutsch geschmäht wurden. „Franzosen schreiben Opern, keine Symphonien“ war ein typischer Schlachtruf. Aber nur eine seiner Opern hat sich wirklich auf den Spielplänen gehalten, Samson und Delilah.


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