(Frankreich 1987/1998)
Eigentlich ist das gar kein Film, es ist ein mehrteiliges filmisches Essay über das 20. Jahrhundert, das Kino und die Möglichkeiten Geschichten zu erzählen. Das macht bereits der Titel klar, der sich am besten als Geschichte(n) des Kinos übersetzen lässt. Filmisch ist der Film am Schneidetisch entstanden, das einzige Filmmaterial, welches für ihn neu entstanden ist, zeigt Jean Luc Godard beim Schreiben an einer elektrischen Schreibmaschine, vor einem Bücherregal oder in Diskussion mit anderen Gesprächspartnern, sonst sieht und hört man nur Filmschnipsel und Bildkollagen die assoziativ Godards Gedanken illustrieren, in Wort, Schlagwort und Bild. Auch wenn man mangels Filmkenntnis[1] nicht alle Gedankengänge hundertprozentig nachvollziehen kann, bleiben doch genügend Denkansätze übrig, um einen über Wochen zu beschäftigen. Jeder Anschlag der Schreibmaschine schallt wie ein Schuss, ein Satz gleicht einer MG-Garbe. Godard ist ein radikaler Denker, wie alle seine Filme steht er quer zu den Erwartungen und Ansprüchen unser modernen Gesellschaft. Es ist kein Wunder, dass der Film erst ab 18 Jahren[2] freigegeben ist, er ist wirklich, wie er auf einer DVD beworben, eine Magical Mystery Tour (de force), durch seine Länge vielleicht abschreckend, aber wer behauptet ernsthaft, denken müsse einfach sein. Kritiker, die vom Filmmagazin Sight and Sound im Jahre 2012 befragt wurden, wählten diesen Film als auf Platz 48 ihrer Liste der der Top 100 Filme der Filmgeschichte.
[1] Einschließlich der Tonspuren. Ich erinnere mich noch gut, als ich beim ersten mal sehen zu VHS-Zeiten mitten drin in einer Völlig anderen Bildsequenz plötzlich Gabin in Touchez pas au Grisbi sprechen hörte. Aus informierten Quellen hört man, dass selbst Godard bisweilen nicht mehr weiß, woher bestimmtes Bildmaterial stammt und warum er genau dieses an einem bestimmten Punkt verwendet hat.
[2] Ob dies an den verwendeten ursprünglichem Bildmaterial liegt, oder am übervorsorglichen Schutz nicht ausreichend gebildeter Gehirne kann ich so nicht nachvollziehen. Vielleicht habe ich einfach nur zuviele Godard-Filme gesehen.
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