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  • Streifzüge

Ich bin ein entflohener Kettensträfling

(USA 1932)

Mitgegangen, mitgehangen. Warner Brothers hat sich seinen Ruf als sozialkritisches Studio hart erarbeitet und auch dieser Film hat dazu beigetragen, was auch an der Leistung des Hauptdarstellers liegt. Dennoch, dieser Film war vom ersten Moment politisch motiviert, denn er kritisierte ein Politikum in so einem Maße, dass die kritisierte staatliche Stelle den Produzenten und Filmschaffenden deutlichst davon abrieten sich in dem betroffenem Bundesstaat Georgia blicken zu lassen. Was hatte diesen Wirbel veranlasst?

Die Vereinigten Staaten sind ein weitgefaßtes Land, alle Einzelstaaten haben ihre eigene Jurisdiktion, die in der Gestaltung eigener Gesetze eine weitgehende Unabhängigkeit von der Zentralregierung in Washington DC besitzt, sofern diese nicht deren Gesetzen widersprechen. Dies ist von den Verfassungsvätern so gewollt gewesen, da ein Zentralstaat immer das Risiko beinhaltet, das dort die Zentrale alles bis ins kleinste Detail ohne Rücksicht auf lokale Gewohnheiten durchreguliert, etwas dem die Vorfahren der Gründungsväter in Europa eigentlich entkommen wollten. Georgia war Teil des alten Südens, der den Bürgerkrieg in den 1860ern verloren hat, und ließ sich deshalb besonders ungern vom Norden (dazu zählte auch Kalifornien) in interne Angelegenheiten reinreden. Justiz kann in den USA auch Gemeindesache sein, und auf einen bewaffneten Raubüberfall steht nun einmal eine Gefängnisstrafe, und Gefängnisstrafe in leichteren Fällen kann da auch Zwangsarbeit heißen, und wer es schafft aus dem Gefängnis zu entkommen bleibt trotzdem ein gesuchter Straftäter, der seine Reststrafe noch abzusitzen hat, egal was er sonst an positivem für die Gesellschaft getan hat. Robert E. Burns war 1931 ein solcher Fall, der durch die Presse ging und Hal B. Wallis als Produzent nahm sich seinen Fall als Aufhängepunkt für diese vernichtende Kritik an der zuständigen Justiz, ohne allerdings den betreffenden Staat auch nur einmal zu erwähnen [1].

James Allen (Paul Muni) trifft als Landstreicher einen anderen, eigentlich wollte er bei einem Händler seine Tapferkeitsmedallie aus dem ersten Weltkrieg zu Geld machen, um sich etwas Essen kaufen zu können, doch der andere weiß eine angeblich einfachere Methode um günstig an eine Mahlzeit zu kommen, er zückt eine Waffe. Natürlich wird James Allen verhaftet und zu 10 Jahren Zwangsarbeit in einem Arbeitslager verurteilt. Wir sehen ihn, wie er an eine Kette geschmiedet mit zusammen mit seinen Mitgefangenen in einer primitiven Baracke haust und von früh bis spät in einem Steinbruch schuftet. Nach ein paar Monaten gelingt ihm die Flucht und er schlägt sich nach Chicago durch, nimmt dort eine einfache Arbeit an, steigt auf, heiratet, wird in seiner Firma weiter befördert und dann nach einem Ehekrach von seiner Frau (Glenda Farrell) an die Justiz verraten[2]. Sein Anwalt handelt zwar eine für ihn erträgliche Lösung aus, doch der Staat fühlt sich von einigen Interviews über seine Erfahrungen als Kettensträfling, die er der Presse gegeben hat, so verletzt, dass er sich nicht an die Absprachen hält. Das nächste Arbeitslager, in dem er landet, ist noch schlimmer als das, aus dem er ausgebrochen ist, eine versprochene Begnadigung wird abgelehnt. Was bleibt ist die nächste Flucht. Der Film endet, dass James Allen wieder in abgerissener Kleidung seiner Freundin (Helen Vinson) im Dunkeln begegnet und auf ihre entsetze Frage was er den so mache antwortet: „Ich stehle.“

Was weder dem Gouverneur von Illinois noch dem vom New Jersey gelang, gelang auch nicht Warner Brothers. Erst im November 1945 gelang es dem damaligem Gouverneur von Georgia die zuständige Gnadenkommission davon zu überzeugen, dass ein Bestehen auf einer Fortsetzung der Strafe eingedenk seiner Notorität nicht von Vorteil wäre. Seine zweite Fluch fand während der Weltwirtschaftskrise statt, da konnte er nicht nocheinmal so einen Aufstieg hinlegen, statt dessen schrieb er seine Autobiographie, die diesem Film zu Grunde liegt.

Warner Brothers war immer ein äußerst rationell vorgehendes Studio, benutztes Filmmaterial konnte man auch an anderen Stellen nutzen und man tat dies mit einer kleinen Einstellung von Allen Jenkins, die im Vorspann von 42nd Street auftaucht. Regisseur Mervyn Le Roy drehte sinnigerweise auch den dazugehörigen Nachfolgefilm Gold Diggers von 1933, in dem den vergessenen Veteranen des ersten Weltkrieges ein großes musikalisches Denkmal gesetzt wird.

[1] Südstaaten Gerichtsbarkeit blieb ein dankbares Thema für Hollywood, man denke zum Beispiel an Box Car Berta.

[2] Ob es ihr reale Vorbild war, dass den verräterischen Brief an die Justiz in Atlanta geschrieben hat, kann nur vermutet werden, sie hatte dies stets abgestritten.


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