(UK/Ägypten/Vereinigte Arabische Emirate 2020)
Wenn man an einen Film mit einer Europäerin, die auf einen Ägypter trifft, denkt, dann kommt einen automatisch Das Liebeslied der Wüste in den Sinn. Doch jede Assoziation zu diesem Film führt hoffnungslos in die Irre, viel mehr steht dieser Film in der festen Tradition eines Michelangelo Antonioni durch die Augen von Sophie Coppola gesehen [1]. Wenn wir die Hauptdarstellerin Hana (Andrea Riseborough) zum ersten mal sehen, sitzt sie in einem Taxi, dass sie in Luxor zu ihrem in die Jahre gekommenen Luxushotel bringt, sie selbst mit unbewegtem Gesicht in viel zu großer Kleidung. In langen, langsamen Einstellungen folgen wir ihr auf ihr Zimmer, die Kamera hält immer Abstand, wie auch sie von anderen Menschen, es wird schnell klar und nach einiger Zeit auch durch Dialoge mit Sultan (Karim Saleh) auch bestätigt, dass sie sich mit einem Posttraumatischen Stress Syndrom herumschlägt, sie war als Ärztin im syrisch-jordanischen Flüchtlingslagern eingesetzt und soll, wenn erholt, in den Jemen.
Eigentlich geht es in diesem Film um Heilung, mit Sultan, einem Archäologen hatte sie vor knapp 20 Jahren eine Beziehung, die irgendwie nicht funktioniert hat und beide sind nicht darüber hinweg gekommen, sie trifft auf andere Expats[1], die dort in die Vergangenheit des Ortes, die Antike und die des britischen Empires nachspüren, um die Moderne des Massentourismus – einer der Benutzerkommentare auf der IMDB beschwert sich explizit, dass der Film nicht als Werbung für ein modernes Ägypten als Urlaubsziel tauge – macht der Film einen großen Bogen, und sie kann sich zuerst nicht erinnern in Abydos gewesen zu sein, obwohl sie dort mit Sultan viel Zeit verbracht hat, als sie nach zufälliger Ausübung ihres Berufes dahin eingeladen wurde. Doch die zufällige Begegnung mit Sultan setzt einen Heilungsprozess ihrer geschunden Seele in gang. Das ganze könnte sehr schnell in ein kitschiges New-age Gedudel abkippen, aber diesen Weg wollte die Regisseurin Zeina Durra definitiv nicht gehen. Vielleicht sieht man im arabischen Raum, die in London geborene Regisseurin hat Eltern mit einem bosnisch-libanesischem Hintergrund, die Dinge nicht so materialistisch-rational wie im Abendland, aber hier scheinen auch archaische traditionelle Methoden über die Jahrtausende hinweg ihre Wirkung behalten zu haben, und diese fast meditative Ruhe lässt uns an der Genesung unsere Protagonistin teilhaben.
Der Film ist in einzelne Kapitel eingeteilt, die nach den Handlungsorten und Assoziationen dazu benannt sind. Produziert wurde der Film mit Geld aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, im Original ist der Film in Englisch und Arabisch gedreht, aber auch ohne Arabischkenntnisse – dank der sparsamen Dialoge gut zu verfolgen, er lebt vor allem von den schauspielerischen Leistungen der Hauptdarsteller, zwischen denen die Chemie einfach stimmt.
[1] Lost in Translation handelt auch von Menschen fern der Heimat und trifft die gleiche Stimmung.
[2] Treibgut der Moderne, das sich in der Fremde eine Heimat geschaffen hat, ohne alle Verbindungen zu ihrer Herkunft zu kappen.
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