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Streifzüge

Majestät brauchen Sonne

Aktualisiert: 6. Feb. 2022

(Deutschland 2000)

Vor Donald Trump gab es schon eine Medienpersönlichkeit, die immer im Rampenlicht stehen musste, mit den modernsten Kommunikationsmitteln und deren Wirkung zu spielen wusste, und immer bevor sie wirklich gefährlichen Blödsinn machte, von ihren Beratern eingefangen werden musste – Seine Majestät, Wilhelm II., den deutschen Kaiser und König von Preußen. Er wusste, wie man mit der Presse arbeitete, und das Bild seiner Selbst für die Öffentlichkeit inszenierte er sorgfältig, wie die anderen Herrscher des 19. Jahrhunderts auch. So überrascht es nicht im geringsten, dass er die Wirkung des Kinematographen sehr schnell erkannte und sich selbst als Filmstar inszenierte. Die Kameras der kinematographischen Steinzeit brauchten um brauchbare Bilder zu liefern sehr viel Licht, nicht umsonst hatten die ersten Filmstudios Glasdächer und Dreharbeiten waren nur bei strahlend blauem Himmel möglich, Kaiserwetter eben. Dunst oder gar Wolken machten Außenaufnahmen praktisch unmöglich, und wenn seine Majestät nun einen Staatsbesuch machte, das Deutsche Reich setzte sich ja aus 38 einzelnen Herrschaften zusammen, vom kleinen Fürstentum Schwarzburg Sondershausen bis zum großen Königreich Preußen, dann wollten nicht nur die Menschen vorort ihren Kaiser sehen, sondern auch die restliche Bevölkerung, wenn sie Zugang zu einem Kino hatte. Auch im Ausland waren solche Bilder gefragt. All diese Bilder waren natürlich in gewisser Hinsicht inszeniert, aber das hat Herrschaft nun mal so an sich. Als Herrscher, der in einer Tradition von berittenen Kriegern stand, musste er sich auch entsprechend präsentieren, Reiten mit einem von Geburt verkrüppelten Arm [1] gehörte da genauso wie die militärische Traditionspflege mit Uniformen aus der glorreichen Preußischen Geschichte dazu, er sah sich ja selbst in der Tradition des Soldatenkönigs, für den Soldaten ein zu schönes Spielzeug waren um sie tatsächlich im Krieg zu gebrauchen. Das galt auch für sein besonders Hobby, das Sammeln von Kriegsschiffen. Peter Schamoni schuf mit diesem Dokumentarfilm ein filmisches Essay, das nicht versucht Seine Majestät für die Fehler seiner Zeit verantwortlich zumachen, wie es manche gerne hätten, weil Sündenböcke so etwas praktisches sind. Dabei hat er in den Archiven einen besonderen Schatz gehoben – einen echten Farbfilm von der Hochzeit einer seiner Töchter aus dem Jahre 1913 – Berlin in leuchtenden Farben.

[1]Es ist bezeichnend, dass er nach seinem Tronverzicht vom 9. November 1918 nie wieder auf ein Pferd gestiegen ist. IMDB : https://www.imdb.com/title/tt0205245/reference

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