(Deutschland 1932)
Deutschland hatte seine eigene Tradition an Horrorfilmen, man denke an den Golem, den Student von Prag, oder Nosferatu, Frankreich eine Tradition des Entsetzen auf der Bühne, die sich direkt zu Beginn des Films bei Melies im ausgehenden 19. Jahrhundert findet. Skandinavien folgte eher den protestantischen, deutschen Traditionen. Dreyer war seit dem ersten Weltkrieg der bekannteste schwedische Regisseur, der aber auch in Frankreich Filme drehte. Mit Stummfilmen war die Sprache völlig egal, Zwischentitel oder etwaige Texteffekte im Bild konnten bei Bedarf schnell und relativ günstig übersetzt werden. Nach seinem Prozess der Heiligen Johanna, den er in Frankreich gedreht hatte, widmete er sich für den deutschen Markt einem neuen Projekt, seinem ersten Tonfilm, einer Verfilmung einer Kurzgeschichtensammlung des britischen Autors Sheridan Le Fanu. Eine ganze Kurzgeschichtensammlung kann man schlecht in einem Film auf die Leinwand bringen, wie man auch später festgestellt hat, braucht so etwas immer eine Rahmenhandlung, man denke an die Amicus Produktionen der 1960er oder Die Außergewöhnlichen Erzählungen nach Edgar Allan Poe, die von Federico Fellini, Louis Malle und Roger Vadim 1965 auf die Leinwand gebracht worden sind. Dreyer aber ging einen eigenen Weg, er schrieb sich seinen Stoff nach Motiven[1] dieser Kurzgeschichten selbst. Da Universal 1930 Dracula auf die Leinwand gebracht hatte war der Vampierstoff auch für den Tonfilm nichts ungewöhnliches mehr und Verleiher hofften auch im angelsächsischen Sprachraum mit diesem Film ein gutes Geschäft zu machen, es wurde ja, obwohl Tonfilm, nicht sonderlich viel gesprochen. Doch sie wurden enttäuscht. Mit diesem Film erfüllte sich hauptsächlich eine Person einen Wunsch. Der Hauptdarsteller Julian West war eigentlich der Spross einer Bankiersfamilie, den Bilanzen und Verträge so langweilten, dass er als Mäzen und später, nach seiner Emigration in die USA, als Herausgeber großer Zeitschriften gearbeitet hat. Irgendwie bringt er aber das Anderssein seiner Rolle vielleicht deshalb so gut herüber. Der Film hat durch Dreyers Stilwillen und ungewöhnliche Kameraarbeit einen surrealen Eindruck, der die noch nahe am Stummfilm stehende Struktur mit erklärenden Zwischentiteln noch unterstütze. Bis auf Maurice Schulz und Sybille Schmitz waren alle Schauspieler Laien.
[1] Die erste, Carmilla, ist mehrfach verfilmt worden, darunter auch vom britischen Hammer Studio als Gruft der Vampire. Leider scheint die zweite Kurzgeschichte, wie auch die Sammlung nicht auf Deutsch lieferbar zu sein.
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