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  • Streifzüge

Wir machen Musik

Aktualisiert: 7. Jan. 2021

(Deutschland 1942)

1942 hatten sich die Verhältnisse in Deutschland etwas gewandelt. Der Krieg dauerte jetzt schon gute 3 Jahre und es war noch kein Ende abzusehen. Deutsche Soldaten kämpften in Russland und Nordafrika, hatten halb Europa besetzt und einen entsprechenden Bedarf an Nachschub. Die Alliierten führten auf die einzig ihnen mögliche Art Krieg, sie versuchten die „Festung Europa“ zu belagern und zu bombardieren. Mit der Blockade funktionierte es ganz gut, wie es auch die Neutralen merkten, die Bombardierungen wurden zwar als störend empfunden, waren aber noch nicht sonderlich effektiv. Das Publikum in Deutschland bestand jetzt überwiegend aus Frauen, da die Männer an der Front standen und Fremdarbeiter (d.h hilfswillige (sic!) Zwangsarbeiter)[1] nicht in normale Kinos gehen durften, an der Front in den Soldatenkinos war es relativ egal, was auf den Leinwänden zu sehen war, Hauptsache es lenkte ab, am besten

mit hübschen Frauen. Und gut aussehende Frauen sind nun einmal die wichtigste Indrigenz eines Musicals, neben der Musik natürlich. Außerdem waren solche Filme auch gut ins Ausland zu verkaufen – irgendwie musste der Krieg ja finanziert werden[2]. Und mit so einem „Gesellschaftsfilm“ im Bühnenmilieu trat die Ufa tatsächlich in direkte Konkurrenz mit Hollywood. Die großen Produktionsnummern dieses Filmes versuchten sich mit den zur gleichen Zeit entstanden Nummern von 20th Century Fox und MGM zu messen und schneiden gar nicht so schlecht dabei ab. Die Musik durfte sich zwar nicht Jazz nennen, aber die saxophonlastige rhythmische Tanzmusik war definitiv jazzbeieinflußt[3]. Aber so ganz konnte der Film sich nicht der Lebenswirklichkeit seines intendierten Publikums entziehen, er beginnt mit einer häuslichen Szene, in der die beiden Protagonisten vorgestellt werden, und die beginnt am Wohnungsfenster, wo der Film auch wieder endet, mit ein paar Worten über die aus militärischen Gründen notwendige Verdunklung. Nach dem Krieg wurde der Film, da er von einem in innerer Emigration lebenden Person, Helmut Käutner, gedreht wurde, relativ schnell wieder freigegeben, nur die Musik, die wurde zur Kriegsbeute. Wer die Musik zur Muppetshow kennt, sollte nach dem Sehen dieses Filmes wissen, wo die herkommt.


[1]An Euphemismen bestand kein Mangel. [2] Um die Auslandsverkäufe nicht zu gefährden, sollte, so Dr. Goebbels, auch in ihnen auf den Deutschen Gruß verzichtet werden.

[3] Mir kam vor vielen Jahren im Fernsehen in einer Dokumentation ein Interview mit einer ehemaligen Tänzerin unter, die während des Krieges als Truppenbetreuerin wirkte. Diese Dame hatte sich die Noten eines Songs von Duke Ellington organisiert und von einem Bekannten namens Grünwald, Mitglied der Reichsmusikkammer, für ein kleines Orchester arrangieren lassen. Bei einem Auftritt war das verfügbare Orchester von der SS. „Grünwald, das klingt jüdisch.“ war der einzige Kommentar des Orchesterleiters. Nach einer Versicherung, dass der Mann Mitglied der Reichsmusikkammer und damit automatisch arisch sei, legte das Orchester los. Die Dame versicherte, sie habe abgesehen von Duke Ellington selbst, nie wieder eine derartig swingende Version von Mood Indigo gehört.

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