(UdSSR 1967)
In den 1830ern erfand der russische Dichter Nikolai Gogol das mythologische russische Wesen Wij, auch wenn er im Vorwort seines Werkes behauptete, dass es sich dabei um ein ukrainisches Volksmärchen handelte – die heutige enthnologisch informierte Literaturwissenschaft geht davon aus, dass sich Gogol wohl von schottischen Volksmärchen hat inspirieren lassen. 1960 nahm sich Mario Bava[1] dieses Stoffes an, eine sehr frühe Verfilmung aus dem Jahre 1909 gilt als verschollen und so ist dieser sowjetische Horrorfilm (Regie und Drehbuch Konstantin Ershov und Georgiy Kropachyov) nicht nur die erste werkgetreue Verfilmung dieses Stoffes sondern, und das ist ein wenig erstaunlich, der erste sowjetische Horrorfilm überhaupt[2]. Die Handlung benötigt, für einen atheistischen Staat erstaunlich, ein gewisses Maß an christlich religiösem Grundwissen[3], allerdings Studenten, besonders Männer, sind in ihrem Verhalten doch sehr ähnlich. Drei arme Klosterschüler machen sich zu Beginn der Ferien auf den Heimweg, für einen von ihnen Khoma (Leonid Kuravlyov) wird die Rast in einer abgelegen Bauernkate zum Alptraum, die Bewohnerin ist eine alte Hexe, die ihn für einen Ausritt, Muraus Faust lässt grüßen, missbraucht. Doch Missbrauch muss bestraft werden, hier prügelt das Pferd den Reiter fast zu Tode, der sich dabei in eine schöne junge Frau (Natalya Varley) verwandelt. Khoma kehrt in seine Klosterschule zurück nur um gleich wieder zum Sterbebett der Tochter eines Kossakenführers und Großbenefikanten des Klosters gerufen zu werden. Als er eintrifft, ist das Mädel schon verstorben und er muss mit Schrecken feststellen, dass es sich um seine Reiterin handelt. Jetzt muss er drei Nächte bei ihrem Sarg die Totenwache halten, steht er das durch, erhält er 1000 Rubel, reißt er aus, 1000 Peitschenhiebe. Alle vor Ort scheinen zu wissen, dass da nicht alles mit rechten Dingen zu zu gehen scheint, ein magischer Schutzkreis [4] kann, wie man auch in Die Braut des Teufels sehen kann, nur einen gewissen Schutz bieten. Doch auch die Dämonen müssen sich an ihre Gesetze halten. Am Ende hat man den letzten Hahnenschrei verpasst, und wie bei einem Kater löst sich der ganze Rausch in nichts auf.
Wetter auf, die soffen recht. [5] So kann man diese Geschichte auch sehen, als Erzählung eines besoffenen. Khoma ist eine Figur, die auch der deutschen Romantik eines E.T.A. Hoffmann entsprungen seien könnte, wie die Kamera ihn am Ende in der dritten Nacht der Totenwache umspielt, gibt sie zugleich auch seine Trunkenheit wieder, die Dämonen könnten auch die Visionen eines Deliriums sein, man denke an die Einführung von Yves Montand in Vier im Roten Kreis, entsprechend wäre der Film ein sowjetischer Blick auf das klassische bürgerliche Studentenwesen, das in so vielen Studentenliedern besungen wird. Pereat tristitia, pereant osores, pereat diabolus gilt auch für die sowjetische Intelligenzia, über deren theologische aka philosophische Fakultät hier die einfachen Bauern spotten. Am Ende des Films, sind die beiden Freunde vom Khoma selbst bei Handwerklichen Tätigkeiten in einer Arbeitspause, wo auch sie sich über ihre akademischen Autoritäten lustig manchen, anders aber ähnlich wie die Schüler ganz am Anfang in einer Szene, die mit Khoma bei einer der Nachtwachen wieder aufgenommen wird. Ja, der Film hatte einen Einfluss auf den Westen, man kann fast sagen, dass auch der Tanz der Teufel von ihm beeinflusst wurde, Ash allerdings hatte ein wenig mehr Glück.
[1] Die Stunde, wenn Dracula kommt mit Barbara Steele verwendet allerdings nur Motive aus dieser Erzählung.
[2] Man kann jetzt überlegen, ob für die politische Kulturverwaltung Horror als negative, die sozialistische Realität etwas prinzipiell subversives war, da entweder an die Schrecken der eigenen Geschichte (Bürgerkrieg, Säuberungen, den Großen Vaterländischen Krieg, erneute Säuberungen) erinnert wurde, oder Vergleiche mit der aktuellen politischen Lage gezogen werden könnte.
[3] Stalin schloss nach dem deutschen Überfall auf die Sowjet Union seinen Frieden mit der orthodoxen Kirche, auch gingen die kommunistischen Aktivisten nicht so weit, wie heutige Vertreter von Cancel Culture und evangelikalen Fundamentalisten – (absolut konträre Stoßrichtungen, aber exakt die gleiche Methodik)
[4] Die Betriebsanleitung dazu findet sich in den meisten Ausgaben der Ars Goetia.
[5] Der Neue Tag soll uns nicht nüchtern sehen. Heißt es im traditionellen Mitternachtsschrei
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