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  • Streifzüge

Die Lustige Witwe

Aktualisiert: 2. Apr. 2021

(USA 1925)

Wenige Jahre vor Beginn des ersten Weltkrieges war der Balkan Europas wilder Vorhof. Das Osmanische Reich war am Zerfallen, die in ihm integrierten slawischen Völker strebten nach Selbständigkeit, während von Norden das Zarenreich und von Westen die habsburger Doppelmonarchie ihre Einflussbereiche auf den Balkan ausdehnen wollten und so in den nächsten Konflikt hinein steuerten. Das, was für die Briten Deutschland[1] war und für die Franzosen Spanien[2], war für Deutschland und Österreich eben der Balkan – schlechte Staatsfinanzen und eine kulturell ausgehungerte Elite, die sich lieber im Ausland amüsiert, eigentlich der perfekte Stoff für eine Operette. Und genau die schuf Franz Lehar mit seiner lustigen Witwe. 20 Jahre nach der Uraufführung dieser Operette nahm sich Hollywood zu ersten Male dieses Stoffes groß an. Der Produzent Irving Thalberg wusste genau, wen er auf diesen Stoff loslassen musste. Erich von Stroheim, ein Emigrant aus Österreich-Ungarn, der sich selbst als adeligen Offizier erfunden hatte[3], und diese Erfindung auch lebte, brachte in seinen Filmen immer die Dekadenz der höheren Stände als melodramatisches Stilmittel zum Einsatz. Stroheim mit seiner Detailbessenheit übertraf die in gesetzten Erwartungen der Studiobosse. Der Film war zwar ein Kassenerfolg doch zugleich auch sein letzter für MGM[4].

Stroheim bearbeitete das Libretto von Victor Léon und Leo Stein, indem er seinen Fokus auf die Vorgeschichte der Beziehung zwischen Graf Danilo (John Gilbert) und Hanna (Mae Murray), die hier eine bürgerliche Tänzerin ist und im Film Sally O'Hara heißt, legt. Danilo verliebt sich in einem Nachtlokal in sie – Heuberger lässt grüßen, doch darf er sie aus Standesgründen nicht heiraten, worauf sie das nächste Angebot seitens eines Bankiers annimmt, doch der Ehemann erliegt noch vor der Hochzeitsnacht einem Herzanfall und sie zieht nach Paris. Sollte sie dort einen neuen Ehemann finden, wäre das Heimatland pleite. Also muss sie so schnell wie möglich wieder inländisch verheiratet werden. Auf der Bühne kann das schnell mit ein paar Couplets oder Dialogzeilen skizziert werden, mit bewegten Bildern ohne Ton ist das bei weitem schwieriger, weswegen Stroheim dies weit ausfürlicher darstellt und die Rolle der Valenciene streicht. Bei den Nachtlokalszenen ging er an die Grenzen des damals bei MGM darstellbaren, einer der Gründe warum er nicht mehr bei MGM arbeiten sollte.


[1] ein seltsames, nicht immer verständliches Gebiet in dem auch politisch alles möglich war, vom Gefangenem von Zenda bis zu gefährlichen Vampiren (Karnstein)

[2] man denke nur an Carmen oder Die Frau und der Hampelmann

[3] er war nur ein Spross aus einer Fabrikantenfamilie, der aus unbekannten Gründen 1909 Wien verlassen musste, das Geld für die Überfahrt in die USA stellte ihm ein Onkel zur Verfügung

[4] er drehte noch den Weddingmarch für Paramount, aber alle weiteren Filmprojekte zerschlugen sich. Danach war er nur noch ein gefragter Schauspieler.

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