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Streifzüge

Die Traktorfahrer

Aktualisiert: 18. Apr. 2021

(UdSSR 1939)

Unterhaltungsfilme aus totalitären Regimen haben immer einen doppelten Boden. Auf der einen Seite sollen sie ihr Publikum ablenken und vom selbstständigen Denken abhalten, auf der anderen Seite sollen sie dem Publikum die staatlich gewünschte Sichtweise klar machen, aber dies nicht so direkt machen, dass es durch Überzeichnung die Widersprüche zwischen staatlichem Ideal und unerfreulicher Realität zu offensichtlich machen. Letzteres konnte unter Stalin lebensgefährlich sein, gerade während einer Säuberung. Dieser Film entstand 1938, als man gerade gerade den letzten Höhepunkt des großen Terror hinter sich gebracht hatte, die selbstverursachte Hungersnot in der Ukraine gerade fünf Jahre vorbei war, man in Spanien gegen nicht-stalinistische Linke und Faschisten kämpfte und in China ein Bürgerkrieg tobte, der zu einem Grenzkonflikt zwischen der befreundeten Mongolei und dem japanischem Marionettenstaat Mandschu führen sollte. Ein Panzerfahrer, der im fernen Osten stationiert war, verliebt sich in eine Traktorfahrerin, deren Bild er in der Zeitung gesehen hat. Sie hat ein Feld mit ihrem Traktor am schnellsten gepflügt und wurde deshalb ausgezeichnet. Natürlich ist der Panzerfahrer im Zivilberuf ebenfalls Traktorfahrer und lässt sich auf diese Kolchose versetzen. Doch so einfach ist dieses Feld auch für gute Mechaniker nicht zu bestellen. Regisseur Ivan Pyrev hatte bereits zu Stummfilmzeiten für die MOS-Film gearbeitet und galt als guter Handwerker, war mit der Hauptdarstellerin verheiratet[1] und wusste genau, wie man eine harmlose Komödie inszeniert[2] und

diese zugleich als Werbefilm für den Dienst bei der Panzertruppe gestaltet. Wie auch die Nazis wussten, der Film kam nur knappe zwei Monate vor dem Hitler-Stalin-Pakt in die sowjetischen Kinos, braucht jede Organisation ihr eigenes zündendes Lied, und zu der Hymne der sowjetischen Panzertruppe[3] tanzen BT-7 Panzer

durch den Wald, während der Chor der Traktorfahrer dieses Lied über die Verteidigung des Vaterlandes mit ihren stählernen – Stalin war der Kampfname des georgischen Revolutionärs und bedeute „der Stählerne“ - Ungetümen gegen implizierte deutsche Faschisten singt, Alexander Newski lässt grüßen. Sinnigerweise wird einer der Nebencharaktere mit einer sowjetischen Variante der Auftrittsarie der Christel aus Carl Zellers Operette „Der Vogelhändler“ eingeführt.

Stalin und seine Kulturbürokraten hingen doch sehr an kleinbürgerlichen Idealen.



[1] Genauso wie Alexandrow mit seiner Gattin Orlowa in Der strahlende Pfad.

[2] Die Selbstanklage Eisensteins wegen seines Filmes Bezhin Lug dürfte da einen gewissen Einfluss gehabt haben.

[3] Die auch im Jahre 2020 immer noch existiert, allerdings heißt sie jetzt Panzertruppe der Russischen Föderation. Das Lied ist immer noch das gleiche.

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