(Deutschland 1943)
Seeoffizieren die Wahrheit ins Gesicht zu sagen, kann gefährlich werden, das bemerkte nicht nur der fiktive erste Offizier (Hans Nielsen) auf der Brücke der Titanic, in einem deutschen Propagandafilm muss diese Rolle natürlich ein Deutscher sein, sondern auch Herbert Selpin ,der Regisseur des Filmes, der sich gegenüber den militärischen Beratern abfällig über die Überwassereinheiten der deutschen Kriegsmarine ausließ, was dann zu seinem persönlichem Untergang in den in den Händen der Gestapo führte[1]. Das Schiff, das in diesem Film für die Titanic einstand, die Wilhelm Gustloff, fiel in den letzten Kriegswochen einer Sowjetischen Torpedosalve zum Opfer und riss völlig überladen über 6000 Flüchtlinge mit in den Tod[2]. Die Besonderheit dieses Filmes ist, dass, obwohl als großer Propagandafilm geplant, das Reichspropagandaministerium entschied, diesen Film nur für die besetzten Gebiete frei zu geben, für das Reichsgebiet, das so langsam unter dem Luftkrieg zu leiden begann, wurde der Film als zu defätistisch angesehen. Die bekannte Handlung bekommt natürlich den antibritischen Spin, den einen deutschen Propagandafilm zu dieser Zeit ausmacht. Natürlich ist die Börse mit ihren in Hinterzimmern ausgehandelten Machenschaften daran schuld, dass das Schiff zu schnell bei schlechter Sicht mit einem Eisberg zusammenstieß, zu wenig Rettungsboote vorhanden waren und dann noch die Disziplin unter den Passagieren teilweise zusammenbrach. Man kann da deutlich den Einfluss der Protokolle der Weisen von Zion auf die Drehbuchvorgaben aus dem Reichspropagandaministerium hören. Der Film wurde nach dem Ende der Naziherrschaft erst mal verboten, obwohl er in Deutschland selbst nie gelaufen war, sinnigerweise wurden in der definitiven Verfilmung dieser Tragödie Die letzte Nacht der Titanic [3] ein paar Einstellungen als Kriegsbeute verarbeitet. Den glücklosen Kapitän Smith spielt Otto Wernecke, Sybille Schmitz eine die Klassenschranken überwindende und den ersten Offizier unterstützende russische Aristokratin. Der Film setzte den Standard für alle folgende Desasterfilme mit eine Kombination aus echter und erfundener Geschichte, man denke auch an die Hindenburg.
[1] Laut Dr. Goebbels beging er Selbstmord und kam so einem Gerichtsurteil zuvor. Werner Klingler übernahm darauf hin das Steuer.
[2] Die Filmindustrie der BRD widmete ihrem Schicksal in den 1950ern den Film Nacht sank über Gotenhafen. Den anderen großen Schiffskatastrophen aus dieser Zeit ging es wie der General Slocum 1912, was wohl darauf zurück zu führen ist, dass zwei der Schiffe, die Steuben und die Goya nur Kopien der Gustloff waren, aber nicht so viel Prestige wie das „Traumschiff“ des NS-Staates und das KZ-Insassen außerhalb der großen Vernichtungslager keine sonderlich große Lobby haben (Cap Arcona, Thielbek und Athen).
[3] Ja, ich halte die britische Verfilmung von 1958 für einen besseren Film als Titanic mit Gloria Stuart.
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