top of page
  • Streifzüge

Berliner Ballade

(Deutschland 1948)

„Natürlich bin ich ein Nazi gewesen, es ging ja gar nicht anders.“ meinte Hauptdarsteller Gerd Fröbe viele Jahre nach dem Krieg, und so ist es kein Wunder, dass er sich offensichtlich in dieser Rolle des Otto Normalverbraucher[1] wohlfühlt. Ursprünglich war der Stoff ein Kabarettprogramm in Berlin, der aber sehr schnell eine weitere Verbreitung in den westlichen Besatzungszonen verlangte.

Nun, für diesen Film ist die Besatzungszeit nur eine kleine, vorübergehende Unterbrechung. Der Film wirft aus der Zukunft des Jahres 2048 einen Blick zurück in die Vergangenheit, gleich nach dem letzten, verlorenen Krieg und verwendet dazu „historisches“ Bildmaterial, leider noch in 2D[2]. Unser Held Otto Normalverbraucher hat den Krieg irgendwie überstanden, trotz aller Bemühungen seinerseits ist es ihm nicht gelungen seiner Einberufung in die Wehrmacht zu entgehen. Als Kriegsheimkehrer muss er sich wie alle anderen mit den üblichen Problemen, Lebensmittelknappheit, Wohnungsnot, Arbeitsmangel, Entnazifizierung und Frauenüberschuss herumschlagen. In lauter kleinen Vignetten, hier zeigt sich der Ursprung des Stoffes aus einem Kabarettprogramm, wird der alltägliche Wahnsinn des normalen Lebens dem Betrachter dargeboten. Uns heute (2021) erscheint das Ganze fast genauso seltsam wie die Vorstellung, dass sich Berlin 2048 bis nach Küstrin ausgedehnt habe[3]. Im Rahmen seiner Versuche wieder im Zivilleben einen Platz zu finden, begegnet er natürlich auch seiner Vergangenheit, sein Feldwebel ist jetzt Straßenbahnschaffner und lässt ihn gleich wieder Exerzieren, bei einer politischen Versammlung machen sich auch wieder die alten Eliten mit ihren Ansichten bemerkbar, die in den letzten 40 Jahren das Land zweimal in den Abgrund geritten haben, am Ende wird dann Otto Normalverbraucher zu Grabe getragen, und er kann seiner eigenen Beerdigung als Zuschauer beiwohnen. Vielleicht hat diese Instanz seiner selbst ja mehr Glück[4]. Im Gegensatz zur DEFA war die Comedia-Film GmbH, die diesen Film produzierte, auf die Westzone ausgerichtet, der offiziell nicht genannte Koproduzent war Heinz Rühmann. Gedreht wurde der Film in Berlin während der Blockade, entsprechend sind die Trümmerlandschaften, die man bei Straßenszenen sieht, echt. Regisseur Robert A. Stemmle hat seine Regiekarriere 1934 in einem Heinz-Rühmann-Film , So ein Flegel, begonnen, dessen Remake Die Feuerzangenbowle hier schon besprochen worden ist. Günter Neumann war ein gefragter Textschreiber, der ein Jahrzehnt später auch für Das Wirtshaus im Spessart verantwortlich zeigen sollte. Ach ja, worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen – entsprechend wird natürlich über das Mitmachen beim und Profitieren vom Rassenwahn natürlich der Mantel des Schweigens gebreitet.

[1] Ja, dieser stehende Begriff stammt wohl aus diesem Film. Ein Normalverbraucher hatte einen bestimmten, relativ schmalen Zugriff auf Lebensmittel, im Gegensatz zum Schwerarbeiter, der täglich ein paar Hundert Kalorien mehr verbrauchen durfte um seine seine Arbeitskraft zum Wohle des Landes halbwegs erhalten zu können. Götz Aly behauptet in seinem lesenswerten Studie über Hitlers Volksstaat allerdings, dass dieser Begriff bereits 1942 gebräuchlich gewesen sei, belegt diese Stelle aber leider nicht.

[2] Da der Film aus Kostengründen natürlich nicht in Farbe gedreht worden ist, fällt das schwarzweiße Filmmaterial nicht weiter auf, kein Wunder nach dem verlorenen Krieg.

[3] Die Oder-Neiße-Grenze wurden von Deutschland ja erst im Zusammenhang der 2plus4 Verträge 1990 endgültig völkerrechtlich anerkannt, die DDR war da auf sowjetischen Druck etwas schneller.

[4] C++ Programmierer wissen, auf welchen Witz ich anspiele.


Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page