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Streifzüge

Das Loch

Aktualisiert: 1. März 2021

(Frankreich 1959)

„Wozu sind Gefängnisse da?“ fragte Pierre Fresnay als Hauptmann Boeldieu in Die große Illusion von Jean Renoir 1938. Dessen Regieassistent Jacques Becker nahm sich in seinem letzten Film nocheinmal des Themas Gefängnisausbruch an und verwandelte es in ein beeindruckendes Kammerspiel über die Dynamiken unter Männern, wenn plötzlich ein Fünfter (Marc Michel) hinzu kommt und die vier ursprünglichen Zellengenossen einen gemeinsamen Ausbruch durch das alte Gemäuer der Haftanstalt vorbereiten. „Du bist in einer ganz besonderen Zelle gelandet,“ heißt es von dem Wortführer zu dem Neuankömmling, der noch nicht rechtskräftig verurteilt ist, aber doch mit einer längeren Haftstrafe rechnen muss. Frankreichs Gefängnisse besitzen immer noch einen schlechten Ruf, was eben nicht nur an den Haftbedingungen (die auch heute noch in der Kritik stehen) liegt, sondern auch an der Bausubstanz, die zum Teil sogar noch aus der Julimonarchie stammt [1]. Auch der Neue arbeitet mit, um einen Weg in die Freiheit zu schaffen, doch als der Fluchtweg fertig ist und es nur noch Nacht werden muss, wird der Neue aus der Zelle geholt und informiert, dass die Anklage in den schwerwiegendsten Punkten fallen gelassen wird. Wieder zurück in der Zelle, wird er von den anderen verdächtigt, sie gerade verraten zu haben. Es gelingt ihm aber, sie vom Gegenteil zu überzeugen, doch in den Katakomben des Gefängnisses auf dem Weg zur Freiheit, wird realisiert, dass diese Befürchtungen eingetroffen sind. Jacques Becker verfilmte den Roman José Giovannis[2] Erstlingsroman über seinen gescheiterten Gefängnisausbruch von 1947 mit einem weiterem Beteiligten (Jean Keraudy) vor der Kamera, als er selbst bereits wusste, dass er tödlich erkrankt war, er sollte die Premiere des Filmes nicht mehr erleben. Vielleicht deswegen liegt auf dem ganzen Film ein Hauch von melancholischer Resignation mit einer bestimmten Entschlossenheit, dieses trotzdem Durchzuziehen. „Armer Gaspard“ sind die letzten Worte zu dem Verräter, als alles aus und vorbei ist. Für José Giovanni war dies der Beginn einer langen und erfolgreichen Karriere als Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur, in den 1980ern erhielt er sogar seine vollen Bürgerrechte wieder.

[1] Anders hätte auch der Resistanceaktivist in Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen nicht den Nazischergen entkommen können.

[2] José Giovanni war nach der Befreiung Frankreichs wegen Verbrechen während der Besatzungszeit zum Tode verurteilt worden, dann aber zu lebenslanger Haft begnadigt worden und nach neun abgessenen Jahren wieder freigelassen worden. Bis kurz vor seinem Tode war nicht bekannt, dass er für den Tod mehrer französischer Juden verantwortlich war.


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