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  • Streifzüge

Die Marie vom Hafen

(Frankreich 1950)

Jean Gabin tat sich schwer nach seinem Exil in Hollywood während der deutschen Besetzung Frankreichs wieder beim französischem Publikum an seine Erfolge vor dem Krieg anzuschließen, nicht nur Deutschland fremdelte mit seinen Exilanten. Marcel Carné hatte, obwohl er in Frankreich geblieben war und dort einen der besten französischen Filme überhaupt als „kleine“ ABM-Maßnahme für die französischen Schauspieler gedreht hatte, Die Kinder des Olymp, mit seinem ersten Friedensprojekt Pforten der Nacht keinen sonderlich großen Erfolg und der Film der darauf folgen sollte, wurde nach wenigen Drehtagen abgebrochen, das Wetter und die Zensur der 4. Republik hatten etwas gegen dieses Projekt[1]. Für beide war jetzt ein Neuanfang nötig, Jacques Prevert, der bis dahin alle Filme für Carné geschrieben hatte, stand jetzt aber nicht mehr zu Verfügung um die Romanvorlage von Georges Simeon für die Leinwand zu adaptieren. Jean Gabin ist in diesem Film nicht mehr der junge Mann der Vorkriegszeit, der vom Schicksal und der Polizei wie in Hafen im Nebel oder Der Tag bricht an verfolgt und gestellt wird, sondern sein Henri Chátelard ist ein arrivierter mittelständiger Kinobetreiber, dessen Geliebte Odile (Blanchette Brunoy) einen familiären Todesfall zu beklagen hat und deswegen in die Hafenstadt zur Beerdigung muss. Dabei lernt er die jüngere Schwester Marie (Nicole Courcel) seiner Geliebten kennen. Die ist nicht einmal halb so alt wie er, hat einen Freund, Marcel (Claude Romain), und erfrischend anders als Odile. Das Odile anders als Marie ist, findet auch Marcel und Henri ertappt die beiden inflagranti. Auch wenn der Film nicht an Carnés Meisterwerke von vor 1945 herankommt ist es immer noch ein sehr guter Film mit einem ungewöhnlich positiven Ende. Filmisch am interessantesten ist die Szene im Kino, wo sich Marie und Henri für ein Stelldichein auf dem Hotelzimmer verabreden, ohne dass ein einziges Wort gesprochen wird und das Kino nur von einer Wochenschau über die französische Marine (mit ex-US-Navy-Einheiten) beleuchtet wird.

[1] Es wäre ein Interessanter Film geworden, allein nur von den Schauspielern die da mitgewirkt hätten: Anouk Aimee, Arletty, Carette und Martine Carol. Doch ein Film über einen Ausbruch aus einem Jugendgefängnis der späten 3. Republik war für die damalige Regierung, die sich in dedizierter Nachfolge der 3. Republik und im Gegensatz zum Etat Francais eines Marschall Petains sah, nicht vertretbar. Das Filmmaterial von 20 Minuten nach Montage war bereits in den 1950ern nicht mehr auffindbar. Nicht jeder Film hat das Glück nach Abbruch so zu Enden wie Eine Landpartie.


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