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Streifzüge

Eine verheiratete Frau

Aktualisiert: 12. Sept. 2021

(Frankreich 1964)

Jean-Luc Godard nennt seinen Film im Untertitel einen Satz von Fragmenten, die im Jahr 1964 in Paris gedreht wurden. Und er zeigt uns das Bild (symbolisch) einer Frau, wie sie sich selbst zerrieben zwischen den fremden und eigenen Ansprüchen an sich selbst wahrnimmt.

Am Anfang zitiert Godard sich selbst, er zerlegt die Hauptdarstellerin Macha Méril wie Brigitte Bardot in Die Verachtung ohne trotz der Anwesenheit ihres Liebhabers (Bernard Noël) mehr Haut zu zeigen als Zensoren gerade noch durchgehen lassen würden. Sie, die titelgebende verheiratete Frau, interessiert sich nur für ihren Konsum, hat aber sonst von der Welt wenig Ahnung, wie sich bei einem kurzen Gespräch mit einem Auftraggeber (Roger Leenhard[1]) ihres Mannes, eines freiberuflichen Piloten, herausstellt, als ihre einzige Assoziation zu Auschwitz Contergan ist.

Meine Wohnung, mein Garten, mein Fernseher, meine Frau. Godard zeigt ihren Gatten (Philippe Leroy) als genauso konsumorientiert und für ihn ist sie nur ein Statusobjekt, dass er als Pilot sich leisten kann. Ihr Mann ahnt, dass die Affaire mit ihrem Liebhaber noch nicht vorbei ist, allerdings lässt er sie jetzt nicht mehr von einem Privatdetektiv beschatten. Sie aber glaubt seiner Versicherung dies nicht mehr zu tun nicht und versucht bei allen Wegen in der Öffentlichkeit etwaige Verfolger abzuschütteln. Bei einem Arztbesuch teilt ihr dieser mit, dass sie schwanger sei, was zu einem Gespräch über Liebe, Sünde und Empfängnis führt. Auf dem Weg, um sich von ihrem Liebhaber mit einem Schäferstündchen zu verabschieden landen die beiden im Kino, wo Nacht und Nebel läuft. Danach im Hotelbett stellen beide fest, dass es vorbei sei.


Jean-Luc Godard drehte diesen Film in sehr kurzer Zeit zwischen zwei Filmfestivals. Im May 1964 versprach er dem Festivalleiter von Venedig, dass er den Film bereits Anfang September zeigen könne. Den Goldenen Löwen gewann der Film nicht, dafür wurde er von Kritikern und Kollegen hoch geschätzt. Probleme bereitete allerdings die französische Zensur, vermutlich aus den gleichen Gründen, die sie auch bei Nacht und Nebel sah. Ein Thema dieses Filmes ist das Sehen. Wie sieht man, was sieht man. Wer sieht, wer wird gesehen[2]. Die Zensurbehörde sah nach Rücksprache mit dem Kulturminister und dem Regisseur nur wenig Probleme mit dem Titel, der nur mit bösem Willen auf alle verheirateten Frauen bezogen werden kann, dass von einer Abtreibung, der Film entstand noch vor der Freigabe der Antibabypille, nicht explizit gesprochen wurde, impliziert aber diese Möglichkeit zur Lösung ihres Dilemmas. Abtreibungen waren in Frankreich damals strafbar, bereits das Wissen um eine anstehende Abtreibung machte den Mitwisser der Beihilfe schuldig. Das nach dem Arztgespräch sie auf der Straße stürzt und daliegt wie Anna Karina am Ende von Die Geschichte der Nana S bestärkt den Eindruck, dass auch sie nur eine Wahre ist.

[1] Roger Leenhard war ein französischer Filmkritiker und Regisseur, der bereits in den 1930ern seine erste Filmproduktionsgesellschaft gründete. Als Kritiker beeinflusste er Andre Bazin und kann so als geistiger Großvater der Nouvelle Vague gelten.

[2] An einer Stelle, durchbricht der Blick von Macha Méril sogar die vierte Wand, als sie den Zuschauer direkt persönlich anspricht.

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