(Frankreich 1959)
„Das Kind braucht einen Namen“ sind die letzten Worte des Bösewichts, bevor er von einem seiner Opfer erschlagen wird. Eine etwas harsche Reaktion auch für die späte vierte Republik, doch die Vorlage stammt aus dem Ancient Regime und da war es völlig üblich, dass der Verlobte der Verführten seine Ehre mit Blut wieder herstellte. Und es war bei weitem nicht das letzte Mal, dass dieser Stoff im 20. Jahrhundert auf die Leinwand gebracht wurde[1]. Hier aber war es das französische Theatertraumpaar der 1950er, Jeanne Moreau und Gérard Philippe, was als amoralische Verführer glänzte. Roger Vadim, den man heute eigentlich nur noch als Entdecker und ersten Ehemann von Brigitte Bardot und für seinen 1960er Camp-Klassiker Barbarella kennt, verfilmte den Roman von Choderlos de Laclos in einem pre-Nouvelle-Vague-Stil, der zwar modern war, aber doch irgendwie altmodisch verklemmt. In den 1780ern war die Vorlage ein Skandal und erfreute sich lange Zeit größerer Beliebtheit, dass es erstaunt, dass dies die erste Verfilmung überhaupt war.
Doch der Stoff wurde von den Verantwortlichen als gefährlich angesehen. In Frankreich durfte der Film nur gezeigt werden, nachdem man ein „1960“ an den Titel daran hängte, und ein Export in andere Länder wurde erst einmal untersagt. Nichts desto trotz war der Film in Frankreich der erfolgreichste Film an der Kinokasse seit 1954. Die Menschen wollten elegante Menschen in modischen Sets sehen und einen entsprechen modernen Soundtrack von Theolonius Monk hören, Fahrstuhl zum Schaffot mit Miles Davis hatte da den Grund gelegt, für Jeanne Moreau[2], die eben auch in diesem Film zu einem nationalen Filmstar geworden war, brachte dieser Film den internationalen Durchbruch, ihr Filmpartner Gérard Philippe starb aber nur wenige Wochen nach der Premiere an Leberkrebs.
Es stellt sich die Frage, warum der Film heute nur mehr ob der schauspielerischen Leistungen der beiden Hauptdarsteller überzeugt. Roger Vadim[3] war Drehbuchautor und hatte bisweilen gute visuelle Ideen, aber die meisten seiner Filme sind heute eigentlich nicht mehr ansehbar. Es wäre eine interessante Frage, wie sich ein Jess Franco diesen überzeugten Libertinen und ihrer Korrespondenz angenommen hätte, wie ein europäisches Sittenbild dieser Zeit auch aussehen konnte, zeigte Federico Fellini in seinem La Dolce Vita 1960.
[1] zu nennen sind unter anderem eine Version von Stephen Frears mit Glenn Close und John Malkovitsch aus dem Jahre 1989, Valomt von 1990 und Eiskalte Engel von 1999 mit Sarah Michelle Gellar und Reese Witherspoon.
[2] Probleme mit der Zensur kannte sie auch, ihr nächster Film mit LouisMalle Die Liebenden von 1958 hatte wegen einem Detail in ihrem Charakter auch mit Problemen – nicht nur in Deutschland – zu kämpfen. Nein, ich spreche nicht von der Anatomie (siehe Mademoiselle Strip-Tease)
[3] Nebenbei bemerkt, Vadim heiratete die Schauspielerin Annette Stroyberg während der Dreharbeiten, die diese Rolle erst bekam, nachdem man feststellte, dass eine 14 Jährige doch ein wenig zu jung war.
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