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  • Streifzüge

Verflucht sei der Krieg

(Belgien 1914)

Manche Filme treffen den Zeitgeist und sind prophetischer, als es sich selbst die Filmemacher in ihren Alpträumen ausmalen. Eigentlich war Europa 1913 ein Kulturraum, wo sich die bürgerliche obere Mittelklasse über die Landesgrenzen bestens verstand, aber darunter lagen, für den einzelnen nicht direkt sichtbare althergebrachte Konflikte. Auch Militärs schicken ihr Personal zur Fortbildung in bestimmten Bereichen in das Nachbarland mit dem ein Krieg nicht völlig ausgeschlossen ist. In diesem belgischen Spielfilm der, das muss betont werden, noch vor den verhängnisvollen Schüssen in Sarajevo gedreht wurde, besucht Leutnant Adolphe Hardeff (Baert) die Flugschule im Nachbarland, wo er bei den Modzels wohnt, zusammen mit deren Sohn Sigismond (Albert Hendrickx) die Schulbank drückt und sich in die Tochter Liza (Suzanne Berni) verliebt. Leider eskaliert ein kleiner Grenzzwischenfall zu einem großen Krieg und die beiden Männer fallen im Kampf gegeneinander. Als Liza diese Tragik nach einem kurzen Krieg erkennen muss, geht sie ins Kloster.

Damals wurden Filme noch relativ schnell gedreht, wie man in Rene Clairs Rückblick auf diese Zeit Schweigen ist Gold entnehmen kann, alle Szenen spielen sich wie kleine Bühnenszenen ab, allerdings wird die Tradition der Bühnenauftritte, wie man sie in Die Ermordung des Herzog von Guise fünf Jahre zuvor noch pflegte, durch Schnitte ersetzt. Regisseur Alfred Machin war einer der wichtigsten Regisseure für Pathe vor dem ersten Weltkrieg in den Niederlanden und Belgien und er wusste, was er seinem Publikum damals zumuten konnte. Doppelbelichtungen für Explosionen waren damals schon Standard, Einblendungen von Erinnerungen und Erzählungen waren relativ neu, die Idee, die Erinnerung durch Montage zu erzählen, scheint für das Publikum noch zu hoch gewesen zu sein. Etwas jünger als die Montage sind die zu sehenden Flugzeuge, die im Film so als Waffe eingesetzt wurden, wie man es damals bereits in Tunesien[1] erlebt hatte. Kriege waren damals etwas kurzes schnelles wenn nicht Großmächte in den abgelegensten Ecken[2] involviert waren, ein Zusammenstoß zweier Großmächte in Europa war ein etwas tunlichst zu vermeidendes, das was an Kriegshandlungen auf der Leinwand zu sehen ist, ist die Vorstellung der damaligen Generalstäbe, wie der nächste Krieg auszusehen habe. Die Realität wich bekanntlich davon gewaltig ab. Der Film ist in einer besonderen Form erhalten, er überlebte in einer Handkolorierten Fassung, für die jedes einzelne Flame mit der Hand ausgemalt wurde, eine Beschäftigung die in Fabriken in der Regel von Frauen ausgeübt wurde. Heute macht das ein Algorithmus und verfälscht so die Quellen in historischen Dokumentation[3], diese kleine Spitze kann ich mir nicht verkneifen.

[1] Ein italienisches Flugzeug bombardierte türkische Stellungen im türkisch-italienischen Krieg von 1911.

[2] z.B. Großbritannien in Südafrika oder Russland an der Chinesischen See.

[3] Genauso wie DeMille mit seinen Monumentalfilmen, z.B Die Zehn Gebote oder Im Zeichen des Kreuzes.

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