(USA 1946)
Die Kamera ist im Film immer das Auge des Beobachters. Wir als Zuschauer sehen was im Film geschieht immer aus ihrer Sicht. Manchmal tritt der Beobachter bei Seite, ändert seinen Blickwinkel, lässt seinen Blick über die gesamte Szene schweifen, fokussiert ihn dann wieder auf die Dinge, die dem Regisseur wichtig erscheinen und dann bisweilen aus Respekt, Höflichkeit die Augen zu schließen. Dieses Spiel mit verschiedenen Blicken hat sich so im Laufe von fünf Vierteljahrhunderten entwickelt und nennt sich Montage. Wie bei Erzählungen gibt es da auch die verschiedenen Arten, auktorial, personal, zuverlässig, ecettera. Und wie in der Literatur gibt es eine Erwartungshaltung des Publikums. Das, was wir sehen, muss war sein[1] und wir mögen es nicht, wenn wir unseren eigenen Augen nicht mehr trauen können. Manchmal wird die Identifikation des Publikums mit der Kamera auf die Spitze getrieben. Subjektive Kamera ist nichts neues, Rene Clair hat sie in seinem dadaistischen Kurzfilm Entr’acte 1924 für eine „Führerstandmitfahrt“ in einem Bollerwagen verwendet, Abel Gance zur Demonstration Napoleons Genialität in seinem Stummfilm Napoleon, und Busby Berkeley in einer Produktionsnummer von Dames, nur um einmal drei Beispiele zu verwenden. Bei Dsiga Wertows Mann mit der Kamera hingegen ist das Fehlen der Subjektivenkamera auffällig.
Hier in diesem Film, produziert von MGM, wagte man ein Experiment. Die Romane der Hardboiled-School, die das literarische Vorbild für den Film Noir lieferten, waren häufig mit einem Ich-Erzähler geschrieben, dem das ganze Unheil um die Ohren flog. Warum nicht auch einen filmischen Ich-Erzähler verwenden, das heteromännliche Publikum wünscht sich doch, wie die ganzen Soldatenspinde und die Nachfragen nach Photos weiblicher Stars in den Öffentlichkeitsabteilungen der Studios zeigten, nichts sehnlicher als auch einmal den Objekten der Begierden direkt in die Augen zu schauen. Der Schauspieler Robert Montgomery[2] führte in dieser Raymond Chandler Verfilmung Regie und scheiterte interessant. Der Film ist gut besetzt, Audrey Totter ist jetzt nicht mein Typ, und eine Führersitzmitfahrt bei einem Autounfall hat dann doch etwas surreales. Der Film macht einem klar, warum sich dieses Stilmittel nicht für einen ganzen Film eignet, manchmal ist die Immersion in das Filmgeschehen dann doch etwas zu viel, wie man bei den Egoshootern auch vom ungedämpften Laufen eines Doom schnell wieder abkam.
Spiegel beim Film haben natürlich immer ihre Probleme[3], mit denen aber auch andere ihre kreativen Techniken entwickelten, man denke nur an Roman Polanskis Tanz der Vampire, die Marx Brothers im Krieg und Busby Berkeley in Wonderbar.
[1] wie uns viel Spam in unseren Inboxen verrät, wo es regelmäßig heißt „as seen on Orpha“ und sich dann doch nur als neuer Vertriebskanal für Psychopharmaka oder chirurgieersetzende Verfahren zur Behebung monetärer Defizite seitens des Werbetreiben entpuppt.
[2] als Schauspieler in Torpedoboote vor Bataan und Mr. und Mrs. Smith zu sehen.
[3] Ich meine reflektierende Flächen, nicht ein großes deutsches Nachrichtenmagazin, das in der nächsten Zeit Thema eines Filmes, der laut ersten Preproduktions-Pressemitteilungen ein wenig in Richtung von Schtonk! Zielen dürfte.
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