(Deutschland 1930)
Bei den Lottozahlen werden die Angaben immer ohne Gewähr angegeben, eine frühe Tonfilmoperette der UFA steht Gewehr bei Fuß um den Grund zu liefern. Godard war in seinem Film Die Verachtung mit dem Vorspann nicht so avantgardistisch, wie es immer gerne gesehen wird, gesprochene Kredits gibt es hier auch, und auch hier schildert der Vorspann, ganz im Sinne der objektiv hermeneutischen Interpretation[1] die Themen und Handlung des Filmes. Zwei Schauspieler fallen sich beim Vortragen der beteiligten Personen und Gesellschaften gegenseitig ins Wort, die sich dann als Vater Korn (Sigi Hofer) und sein Wiedersacher, der Journalist (Max Ehrlich) entpuppen. Doch wie immer, wenn die Tochter (Charlotte Ander) verkuppelt werden soll, sagt diese „Nein“, der Fleischermeister Burgstaller (Max Hansen) ist nicht ihr Fall. In einer Vorstadtposse muss der Freund der Tochter (Ingo Sym) seine Braut nicht unbedingt an sich selbst verkaufen, hier reicht es, dass sich Korn und Burgstaller ein Lotterielos teilen und, die Katastrophe muss ja eintreten können, Burgstaller den Schriftsetzer Grün (Max Ehrlich) so verärgert, dass der eine Zeitungsente erzeugt – angeblich habe deren Los gewonnen[2]. Für Burgstaller könnten seine ersten Reaktionen den finanziellen Ruin bedeuten, doch für ihn kommt die Rettung aus einer unverhofften Ecke. Seit 1866 ist Deutschland zwei geteilt, aber die Rivalität zwischen den beiden Hauptstädten Wien und Berlin ist weit älter, dazu muss man zumindest bis zum ersten Schlesischen Krieg zurück gehen, als nicht alle Wahlberechtigten Kurfürsten die Habsburgerin Maria Theresia als deutsche Kaiserin akzeptieren wollten, Böhmen, die Alpen, Norditalien und Ungarn, sowie stockkatholisch, das war dann doch ein bisschen viel, da versprach eine Armee, die sich einen Staat hielt vielleicht doch eine bessere Wahl zu sein[3]. Entsprechend befasst sich diese UFA (das heißt Berlin) Produktion mit Wien und das bemerkt man auch an der Besetzung Sigi Hofer war ein Wiener Komiker, Max Hansen ein Star des Berliner Kabaretts, der aber auch in Wien auf der Theaterbühne stand, 1930 seinen größten Erfolg als der Oberkellner Leopold im Weißen Rössl[4] feierte. Und wie beim Weißen Rössl haben wir auch hier den Berliner Touristen, den es nach Wien verschlagen hat, der alles „knorke“ findet und das Fünferl (Fünf Groschen, bzw. Pfennigstück für die, die sich an die Vor-Euro-Zeiten nicht mehr erinnern) Sechserl nennt (ja, auch in Deutschland gab es mal ein Duodezimalsystem für Geld, wie im Vereinigten Königreich bis 1971.
Und ja, 1938 wurde Deutschland dann unter Berliner Führung von einem Österreicher wiedervereinigt, aber in dessen Deutschland war für viele der an diesem Film beteiligten kein Platz mehr und dieser Wahn kostete mehreren der an diesem Film Beteilgten das Leben, aus den verschiedensten Gründen. Sym wurde 1941 in Warschau als Kollaborateur vom Widerstand hingerichtet, Paul Morgan starb 1938 im KZ Buchenwald, Max Ehrlich in Auschwitz.
[1] Objektive Hermeneutiker leiten aus dem Satz „Nennt mich Isamel“ die Existenz eines weißen Wals ab. Einer der Gründe, warum man nicht erst beim Einsetzen des Filmtons den Kinosaal betreten sollte.
[2] Preston Sturges hat die gleiche Prämisse in seinem Weihnachten im Juli durchexerziert, auch mit am Ende positiven Ausgang – weswegen ich meine Lottozahlen hier nicht veröffentliche.
[3] Der Aufstieg Berlins zum Sitz des Deutschen Kaisers verlief etwas komplizierter, auf den Aufstieg Preußens unter Friedrich dem Großen, die Wittelsbacher und ihre beiden verlorenen Kriege gegen das Haus Habsburg, die beiden Napoleons samt ihrer weltpolitischen Hintergründe und die Schaffung eines Kaisertums Österreich kann man, abgesehen von Stichworten, in einem kurzen Artikel nicht eingehen – dies ist kein Seminar.
[4] Die Regie führte Erich Charell, es gibt leider keine zeitgemäße adequate Umsetzung dieser Produktion, wie bei den großen Broadwayshows wie Whoopee! oder Rio Rita. Charell ist dem Filmfreund nur noch mit Der Kongress tanzt ein Begriff.
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